Interview zur «Schweizer FAKE-Luftverteidigung»

[Sept 2020] Diskussionsnotizen pensionierter Wehrmänner, die im langen kalten Krieg den Auftrag der Armee «erfüllt!» haben:

Die letzten 30 Jahre : Elimination der Miliz

Warum haben wir denn heute die Langstrecken-Boden-Luft-Lenkwaffen der Armee 61 nicht mehr ??

Frage: Bevor wir die Probleme der heute vorgeschlagenen Lösung der Luftverteidigung aufzeigen, müssen Sie uns Jungen noch erklären, wie es weiterging mit der Armee 61 und ihrer Luftverteidigung; warum sie nur noch im Museum zu bewundern ist ??

1989 fiel die Mauer: Innert weniger Wochen änderte sich die militärische Lage in Europa komplett. Unsere hochgetrimmte Armee hatte plötzlich den alten «roten» Feind aus dem Osten nicht mehr. Unsere Fliegertruppen planten gerade die Beschaffung der 34 F/A-18. In der Industrie produzierten wir die letzten der 380 neuesten Leopard Kampfpanzer. In unserer Grenzbrigade am Rhein bereiteten wir den Einbau neuer Centurion-Geschütztürme in Bunkern vor. Die Armee hatte gerade einen geschätzten Maximalbestand von ca 820’000 Mann.

Die Friedenshoffnungen waren gross. Wiedererwachte Armeegegner und linke Politiker wollten sofort die Armee abschaffen. Ihre Volksinitiative wurde abgelehnt, bei aber 35% JA-Stimmen (1989). Das Referendum gegen die Beschaffung der 34 F/A-18 (1991/92) wurde abgelehnt, doch schon waren 43% der Bevölkerung gegen die neuen, teuren Flieger, im intransparenten Paket-Deal.

Katastrophaler als die Angriffe der Linken war das «stille» Wirken unserer höchsten Militärs im EMD: In halb-akademischen «Sicherheitspolitischen Berichten» wurden die Hauptaufgaben der Armee 61, die «Dissuasion vor dem Krieg und die Verteidigung des Landes im Krieg», in Frage gestellt. Alles, was es dazu brauchte, wurde für die Armee 95 halbiert oder ganz abgeschafft. Die Zukunft gehörte der «Friedenssicherung im Ausland, im Verbund mit NATO und UNO».

Frage: Das war ja zum Teil verständlich, und Reduktionen zu grosser Bestände wären sicher auch prüfens­wert gewesen. Aber wie kam es, dass zuerst die «besten Stücke» demontiert, abgewrackt und verschachert wurden: Die voll ausgebauten Grenzbrigaden wurden entlassen; die Boden-Luft-Lenkwaffen-Stellungen wurden geschleifft, die Lenkwaffen zersägt und verbrannt; die Hälfte der kampfbereiten Panzer, Artillerie-Geschütze, Genie-Mittel verkauft; 10’000e Bunker geschlossen; die Zeughäuser wurden entleert und das System der Mobilmachung kaputt gemacht ??

Die höchsten Militärs hatten eine «2. Hidden Agenda»: Sie sprachen überall von «Professionalisierung der Armee, wegen immer komplexeren Technologien und Systemen», meinten aber die Elimination der Miliz:

Die Armee 61 hatte offiziell 650’000 Wehrmänner. Sie waren alle eingeteilt in ihren «kantonalen» Einheiten und leisteten 30 Jahre lang, zusammen mit den gleichen Kameraden und Vorgesetzten, Wiederholungs-Dienste, wo sie immer wieder trainiert wurden. Die Einheiten hatten alle ihre vertrauten Einsatzräume, ihre eigenen nahe eingelagerten Waffen, Munition, Fahrzeuge, Material, und ihre eigenen ausgebauten Unterstände, Kampfstände und Geländeverstärkungen.

Die neue Armee 95 (dann Armee XXI) sollte noch 200’000 (dann 100′-140’000) AdA haben, bei einem «Druchschnitssalter von 23 Jahren», wie ein Chef der Armee, selber 63-jährig und halbinvalid, vor seiner Pensionierung, aus höchstem Kommando noch daherplaudern und «befehlen» konnte.

Die Miliz, mit ihren 2 «kostengünstigen» Heeresklassen Landwehr und Landsturm, wurde aufgelöst. Die jungen Wehrmänner bis knapp 30 Jahre werden nun von «Karriere-Profis» 1-2 Jahre «geführt und ausgebildet». In der Armee 61 mit 540 Bat/Abt Miliz-Kdt hatten wir ca 150 Instr Uofs und ca 200 Berufs-Of. Heute gibt es keine Miliz-Of mehr ab Stufe Bat und fast keine im Generalstab. Die ca 170 Bat/Abt werden nun als «Uebungs-Einheiten» in der Karriereleiter von ca 1100 Berufsoffizieren und ca 1000 Instr Uofs «missbraucht»; sie sind deshalb auch nicht alle voll ausgerüstet und voll ausgebildet, und erst nach Monaten einsatzbereit.

Und das Vorzeigebild für diese professionalisierte Armee sollte eine neue «Flugwaffe» werden, wo eben die Priorität auf «Fliegen» und «Berufsmilitärkampfjetpiloten» gesetzt wurde. Die 34 neuen Flieger sollten, «nackt», 3.4 Milliarden Fr kosten. [Dafür konnte man 15 Millionen Fr jährliche Betriebs- und Unterhaltskosten sparen, in dem man 1999 die Bloodhound Raketen entsorgte, obwohl sie nochmals 30 Jahre hätten «zubeissen» können.]

Die letzten 30 Jahre : FAKE-Luftverteidigung mit F/A-18

Seit der Armee XXI haben wir keine Langstrecken-Boden-Luft-Raketen mehr und können auch nur noch FAKE-Luftverteidigung machen.

Frage: Diese Behauptung ist von Ihnen und Sie müssen uns schon erklären, wie Sie, als damals schon pensionierter Militär und Flab-Kenner, die Beschaffung der F/A-18 erlebt haben, und warum seither nur noch «FAKE-Luftverteidigung» gemacht werden soll ??

Ende 80er hatten unsere hohen Piloten die F/A-18 genügend evaluiert, in den USA und im Pazifik. Man hätte sie jetzt «ab Stange» kaufen können, für ca 2.5 Milliarden Fr, und ca 1990 in Dienst stellen können. Man wollte sie aber selber «endmontieren».

Nach 8 Jahren «Beschaffung», 2000, können die F/A-18 fliegen, haben aber noch keine Waffen. Man hatte die Kosten für die Waffen-Integration nicht in die Abstimmungsvorlage miteinbezogen, damit das Ganze für den unbedarften Bürger und Parlamentarier günstiger aussah. Auch Ersatzteile wurden nicht, wie früher üblich, zu Beginn genügend eingekauft. So steht denn die Instandhaltung von Anfang weg unter einem schlechten Stern.

2001 beginnt die «Salami-Beschaffung», schon als «Werterhaltung für die nächsten 20 Jahre» deklariert: 220 Millionen Fr müssen bewilligt werden für den Einbau von Freund-Feind-Erkennung, [Software !], ohne die man wahrscheinlich nicht mit der NATO zusammen hätte fliegen dürfen.
2006 sollen die Systeme eingebaut sein.

2003 findet in Evian ein G7-Gipfel statt. Unsere Flugwaffe soll den Luftraum nördlich des Sees überwachen, kann sie aber nicht: 30 der 33 F/A-18 stehen seit Anfang Jahr zur Reparatur auf den Böcken. Die Amerikaner hatten für den bevorstehenden Irak-Krieg alle Teile-Poduktionen reseviert und keine Ersatzteile mehr geliefert.
Den Medien wird dennoch vom «koordinierten Einsatz mit den Franzosen» gefaked. Was aber sicher dem Bundesrat nicht mitgeteilt wurde: Noch 2004 können die Flieger nicht fliegen. Ein Mech fasste das so zusammen: «Nicht halb so schlimm, sie haben ja noch gar keine Lenkwaffen, und die Bordkanone darf auch nicht benutzt werden. Sie können also nur mit den Flügeln wippen.». Für den Schutz des WEF müssen einmal mehr die Oesterreicher mit ihren (von uns geleasten) Tigers am Himmel kurven.

2003 müssen 292 Millionen Fr bewilligt werden, um den Data-Link [Software !] vom Flieger zur Lenkwaffe einzubauen, damit man endlich solche (Kurzstrecken-) Sidewinders bestellen kann, für 115 Millionen Fr. Sie sollen 2009 geliefert sein und können seither auf Fotos gesehen werden, an den Flügelenden.

2004 müssen 268 Millionen Fr bewilligt werden, um den Data-Link [Software !] vom Florako-Leitsystem zum Flieger zu implementieren, damit man auch Ziele für Langstrecken-Radargesteuerte-Luft-Luft-Lenkwaffen übermitteln kann.

2008 werden neu Helme mit Displays bestellt, mit denen die «Lenkwaffen-Zielzuweisungen erleichtert» (??) werden sollten. 50 Helme = 404 Millionen Fr. Sie werden 2009 geliefert.

2009 werden im Rüstungsbudget 296 Millionen Fr bewilligt für den dringenden Kauf und Installation eines neuen Präzisionsradar-gestützten An/Abflug-Leitsystems für die 3 (-5) Einsatz-Flugplätze der F/A-18. Damit will man die Einsätze bei Tag und Nacht leiten können. [In der Botschaft kann man lesen: «Aus Kosten- und Zeitgründen konnte ein Teil der Spezifikation (Wirkung des Präzisionsanflugsradars in hügeligem Gelände und unter meteorologisch schwierigen Bedingungen) nur anhand von Computermodellen verifiziert werden.» Wenig verständlich bei solchem Budget und geplanter Beschaffungs- und Einsatzdauer. Ob die zwei letzten tragischen Kollisionen mit Felswänden hätten vermieden werden können?] 

2011 werden 182 Millionen Fr bezahlt: «Unter Berücksichtigung des sicherheitspolitischen Umfeldes und der finanziellen Rahmenbedingungen wird nur eine minimale Anzahl dieser Lenkwaffen beschafft. Die LL Lwf AIM-120C-7 wird der Luftwaffe ab 2015 ausgeliefert.»

2013 werden für 95 Millionen Fr Ersatzteile für die F/A-18 bestellt.

2016 werden 127 Millionen Fr bewilligt zum Einkauf spezieller Teile. [Aufhängungen Lenkwaffen? Lieferdatum?]

2017 werden im Rüstungsprogramm weitere 450 Millionen Fr bewilligt für die «Verlängerung der Nutzungsdauer» über 2020 hinaus, und auch für «Nachbeschaffung von Radarlenkwaffen» [«Nachbeschaffung» = erstmalige Beschaffung von genügend Lenkwaffen!]  Sie sollen 2018/19 geliefert worden sein.

2020: Wir haben bis heute noch nie einen F/A-18 mit den neuen Aufhängungen und den neuen Raketen fliegen gesehen, nicht an den Air-Shows, und auch nicht auf Fotos. (Das VBS hat auf seiner Homepage zwar jetzt eine schlechte Fotomontage.)
Sind die Lenkwaffen immer noch nicht operationell? Irgend wann im 2019 soll ein erster F/A-18, assistiert von einem zweiten, auf einem Schiessplatz in Norwegen eine erste Drohne testmässig abgeschossen haben.
Ein Phantast wer glaubt, damit sei unsere Flugwaffe nun bereit für die Luftverteidigung der Schweiz.

Früher galt in der Armee der erste Auftrag der Dissuasion:
«und dabei muss man alles zeigen was gut ist und damit den Feind abschrecken.»
[Kdt Gz Div, 1975]